Drei Fragen an Kerstin Hochartz, Dozentin für Haupt-, Real- und Oberschulen am RPI Loccum zum Thema Ausbildungsplatzsuche
Wie gut sind die Chancen, auch ohne Abitur einen Ausbildungsplatz im Traumjob zu ergattern? Worauf achten die Betriebe bei Bewerbungen besonders? Und was ist neben Schulnoten sonst noch wichtig? Im Interview verrät Kerstin Hochartz, worauf es ankommt, wenn es um die Ausbildungsplatzsuche geht.
Wie groß sind derzeit die Chancen, ohne Abi einen Ausbildungsplatz zu bekommen?
Kerstin Hochartz: Derzeit richtig gut. Mein Rat wäre: Einfach mal versuchen! Denn: Auch jungen Menschen mit Hauptschulabschluss stehen viele Wege offen. Gerade im Moment können viele Betriebe nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. Und oft steht da zwar vielleicht, dass sie sich einen Azubi mit Realschulabschluss wünschen, aber rechtlich verbindlich ist das in der Regel nicht. Hauptschüler*innen haben zum Beispiel in der Mechanik, in der Gastronomie oder in der Baubranche gute Chancen. Auch in der Pflege findet man inzwischen einen Ausbildungsplatz, wenn man von der Hauptschule kommt. Vielleicht zunächst nur als Pflegeassistent*in, aber dann kann man sich ja weiterbilden bis hin zur Pflegefachkraft. Das ist überhaupt ganz wichtig: Ich muss nicht direkt mit meinem Hauptschulabschluss eine Ausbildung beginnen, sondern ich kann mich ja auch schulisch noch weiterqualifizieren, zum Beispiel an einer Berufsbildenden Schule.
Was erwarten junge Menschen vom Berufsleben und ihren Arbeitgebern? Und haben Sie umgekehrt einen Tipp für die Schüler*innen, was die zukünftigen Arbeitgeber von ihnen erwarten?
Kerstin Hochartz: Schüler*innen, die von der Hauptschule kommen, erwarten persönliche Begleitung und Förderung. Und die brauchen sie auch. Sie brauchen jemanden im Betrieb, der für sie verantwortlich ist. Das bekommen sie schlecht von sich aus organisiert, da muss jemand auf sie zugehen. Und sie brauchen Abwechslung, sie wollen nicht drei Monate nur den Hof fegen. Denn auch diese jungen Menschen haben das Recht darauf, sich weiterentwickeln zu können oder eine gute Work-Life-Balance zu finden.
Aber einen Tipp für die angehenden Azubis habe ich umgekehrt auch: Die Betriebe achten gar nicht unbedingt so sehr auf die Noten, sondern darauf, wie leistungsbereit jemand ist und ob er oder sie motiviert ist und für eine Sache brennt. Die Ausbilder*innen gucken sehr genau, ob jemand sich ehrenamtlich engagiert. Ich würde deshalb in meiner Bewerbung alles aufzählen, was ich an praktischen Soft Skills mitbringe, damit die, die das lesen, gleich sehen, was mich von anderen Bewerber*innen unterscheidet. Das ist dann oft entscheidender als die Deutschnote. Und wenn wir schon beim Thema Bewerbungen sind: Die muss natürlich fehlerfrei sein. Wer das nicht selbst hinbekommt, sollte unbedingt nochmal jemand anderen draufschauen lassen. Und die Bewerbung sollte möglichst individuell sein: Was reizt mich an genau diesem Unternehmen, bei dem ich mich da bewerbe?
Was raten Sie Schüler*innen: Lieber auf den Traumjob warten oder nehmen, was zu kriegen ist?
Kerstin Hochartz: Wozu ich überhaupt nicht rate, ist rumzusitzen. Im Gegenteil: Unbedingt etwas tun, gegebenenfalls ein FSJ machen oder als Bufdi arbeiten, wenn es mit dem Traumjob nicht sofort klappt. Die Zeit zwischen Schule und Ausbildung kann am besten genutzt werden, um die Soft Skills zu erwerben, die einem dann zum Traumjob verhelfen. Also: Auf den Traumjob warten, ja – aber nicht daheim auf dem Sofa.
Die Fragen stellte Michaela Veit-Engelmann, am RPI Loccum zuständig für Öffentlichkeitsarbeit