Zwischen Abschied, Tod und Leben

Nachricht 03. April 2023

Die Bevollmächtigten OLKR Kerstin Gäfgen-Track und OLKR Andrea Radtke schreiben im Editorial zur Karwoche:

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Tod ist nicht mehr so präsent in unserem Alltag, gestorben wird eher selten zu Hause, obwohl viele sich genau das wünschen. Die Vorstellung eines Abschiednehmens am offenen Sarg löst oft Ängste aus, so dass es nicht gewagt wird. Das christliche Ritual der Aussegnung des Verstorbenen aus dem Haus oder Zimmer verschwindet immer mehr, obwohl darin viel Trost liegen kann: Die Toten gemeinsam mit den Lebenden unter den Segen Gottes stellen. Der Sarg wird nicht mehr zu Fuß durch den Ort zum Grab begleitet, zur Trauerfeier kommen oftmals nur die engsten Angehörigen und der Leichenschmaus ist nicht mehr selbstverständliches Ritual zur Trauerbewältigung. Darauf, den Arbeitsalltag zur Teilnahme an einer Bestattung in weiter Entfernung zu unterbrechen, wird vielfach verzichtet. Wochenendtermine auf Friedhöfen sind aber selten zu bekommen, und viele Gräber bleiben anonym. Mag sein, dass die digitale Teilnahme an Beerdigungen, gerade wenn weite Entfernungen zu überbrücken sind, zunehmen wird, etwa mit einem Live-Video auf Youtube. Doch ist es eine sehr andere Erfahrung, als selbst mit gebrochener Stimme in der Trauerhalle zu singen oder am Grab zu stehen und zu weinen. Der Tod anderer lässt uns bewusst werden, dass wir selbst sterben werden. „Ich muss sterben aber das ist auch alles was ich für den tod tun werde“ (Dorothee Sölle).

Beim Parlamentarischen Abend vor ein paar Tagen wurde eine von uns beim Abschied gefragt, ob „frohe Ostern“ schon der passende Wunsch sei, auch wenn die Fastenzeit noch nicht zu Ende wäre. Die Antwort: „Eine gesegnete Passions- und Osterzeit“ zu wünschen, sei guter christlicher Brauch. Gerade in der Karwoche steht die Passion, das Leiden Jesu im Mittelpunkt der Gottesdienste, Andachten und Gebete. Da geht es unausweichlich um Abschied, Gewalt, Folter, Leiden und Schmerz. Wir können den Tod nicht überspringen. Ohne Karfreitag kein Ostern. Das sogenannte „Tanzverbot“ an Karfreitag macht deshalb weiterhin Sinn, weil Menschen unabhängig davon, ob sie sich als Christinnen und Christen verstehen, die Chance dieses Feiertages nutzen können, über Leben und Tod nachzudenken. Um gut leben zu können, den Tod, auch den eigenen in den Blick nehmen.   

Jesus hat sich zu Tode geliebt und gehofft. Liebe und Hoffnung waren für ihn die Kennzeichen von tiefer Menschlichkeit. Wie oft bringen Menschen die Liebe und die Hoffnung mit um wie am Karfreitag, damals auf dem Berg Golgatha vor den Toren Jerusalems, als Jesus gekreuzigt wurde. Immer wenn die Menschlichkeit stirbt, stirbt Gott diesen Tod mit.

Aber die Menschlichkeit und mit ihr die Göttlichkeit sind nicht totzukriegen, nicht mit Gewalt, nicht mit Waffen und nicht am Kreuz. Der von den Toten auferstandene Christus sieht einem Gärtner, der Pflanzen und Bäume pflegt, zum Verwechseln ähnlich (Johannes 20,15). In einem Menschen unverwechselbar Gott erkennen, das haben die Frauen am Ostermorgen getan. Die Frauen am Grab haben als erste Leben über den Tod hinaus in ihrer Beziehung zu Jesus Christus erfahren.

Das Leben nach dem Tod neu in den Blick nehmen und sehen, wie viel Schönes um uns herum zu entdecken ist. Fühlen, wie einmalig und kostbar das eigene Leben ist, und das anderer auch. Auf das Leben vertrauen und in vollen Zügen auskosten, seine Schönheit, seine Zerbrechlichkeit, seine Wärme. Jeden Tag intensiv leben, verschwenderisch lieben, menschlich sein. Der Tod wird kommen, aber jetzt leben mit der Hoffnung, dass die Liebe am Ende stärker sein wird.

Eine gesegnete Karwoche und dann: ein frohes und gesegnetes Osterfest

Ihre
Kerstin Gäfgen-Track und Andrea Radtke