Segen ist, wie wenn Gott mich anlächelt!
Beim digitalen Treffpunkt Kindergarten am RPI Loccum referiert Dr. Martina Steinkühler über die Kunst des Bibelerzählens
Wie können Bibelgeschichten zu Lebensbegleitern werden? Jedenfalls nicht durch theoretische Abhandlungen, sondern durch ganz konkrete Erfahrungen. Darum ging es beim Treffpunkt Kindergarten des Religionspädagogischen Instituts Loccum (RPI), der in diesem Jahr coronabedingt digital stattfinden musste. 65 pädagogische Fachkräfte aus Kindergärten in ganz Niedersachsen waren zugeschaltet.
Eingeladen zu diesem Treffpunkt hatte Gert Liebenehm-Degenhard, am RPI zuständig für die Religionspädagogik im Elementarbereich. „In der Kita geht es darum, die Kinder fürs Leben zu stärken“, sagt er. „Starke Geschichten können dazu beitragen. Davon gibt es viele in der Bibel. Es sind Geschichten von Königen und Kindern, Halunken und Helden, von Fremden und Freunden. In diesen Geschichten können wir und die Kinder unsere Geschichten finden. Und diese Kraft, die wir Gott nennen.“
Als Hauptreferentin war Dr. Martina Steinkühler zugeschaltet, bekannt durch zahlreiche Veröffentlichungen zum biblischen Erzählen. Und sie erzählte auch in dieser Runde: Von dem Hirtenjungen David, der die Schafe hütet und der eines Abends spürt, es wird eine merkwürdige Nacht. Und tatsächlich: Es kommen Wölfe. Und die Teilnehmer*innen vor den Bildschirmen bangen mit: Wird David sie durch sein Schreien und Rufen vertreiben? Sie sind mittendrin in dieser Nacht, sie hören förmlich das Heulen der Wölfe und riechen ihren Gestank. Und so sind alle erleichtert, als die Geschichte gut ausgeht – und können die Worte seines Hirtenliedes aus tiefstem Herzen mitsprechen: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
„Kinder brauchen eine Welt, in die sie hineintauchen können“, sagt Martina Steinkühler. „Abstraktes wird durch Geschichten konkret. Und wenn die Kinder dann später nochmal Psalm 23 hören, werden sie immer an das Heulen der Wölfe denken – und verstehen, warum David da nicht allein sein wollte und später singt: Gott ist mein Hirte.“
Martina Steinkühler gibt deshalb zahlreiche Tipps, wie es im Erzählen gelingen kann, dass Bibelgeschichten tatsächlich zu Lebensbegleitern werden. So komme es nicht nur auf die authentische und zugewandte Haltung der Erzählerin an, sondern auch darauf, dem Text viel Raum zu geben: „Bibeltexte brauchen Luft, sie wollen erzählt werden, sie sind früher auch erzählt worden“, sagt Steinkühler. Und: „Finden Sie das eine Bild, das die Geschichte trifft“, rät die Referentin. „Malen Sie Bilder vor Augen, die die Kinder sich merken können, dann merken sie sich auch die Geschichten. Wenn Sie zum Beispiel sagen: ‚Segen ist, wie wenn Gott mich anlächelt!‘, dann geben Sie den Kindern eine Vorstellung an die Hand, die trägt.“
Ganz wichtig sei es auch, die Fragen der Kinder ernst zu nehmen. „Schon im Kindergarten wollen Kinder ja wissen: ‚Ist das wirklich passiert?‘“, berichtet Steinkühler. „Dann verteidigen Sie diese Geschichte nicht reflexartig, und sagen ‚Ja, klar!‘, sondern sagen Sie ganz ehrlich: ‚Weißt du, mir ist diese Geschichte wichtig. Und ich weiß, dass sie schon vielen Menschen vor mir wichtig war. Ich glaube, darin gibt es ein Geheimnis.‘ Und dann erzählen Sie, was Ihnen selbst diese Geschichte bedeutet.“
Martina Steinkühler spricht den Teilnehmer*innen der Veranstaltung aus dem Herzen, als sie ihr eigenes Bild dafür präsentiert, was ihr die Bibel bedeutet: einen bunten Quilt. „Das ist mein Bibelteppich“, sagt sie. „Dieser Quilt ist nämlich wie die Bibel: Er ist zusammengenäht aus vielen Einzelteilen, die für sich stehen, aber ein Gesamtbild ergeben. Er hat einen Rahmen, aber ist auch offen. Man kann die Bibelgeschichten also auch weiterspinnen.“
Wie das genau geht, konnten die Teilnehmenden des Treffpunkts Kindergarten im Nachgang zu dem Vortrag in praktischen Workshops vertiefen. Denn dass diese Geschichten ein Schatz sind, darin waren sich alle einig. Martina Steinkühler bringt es auf den Punkt, wenn sie sagt: „Geschichten von Gott sind stärker als die Wirklichkeit, die wir kennen.“
Dr. Michaela Veit-Engelmann, Öffentlichkeitsarbeit des RPI Loccum