Vertrauen – Glaube – Geborgenheit: Eine Zeitansage

Nachricht 19. Dezember 2022

Die Bevollmächtigte OLKR'n Dr. Kerstin Gäfgen-Track und Andrea Radtke schreiben im Editorial des Dezember-Newsletters

Sehr geehrte Damen und Herren,

in diesen Tagen wird Sie wieder zum Thema: die Zeit …, die so schnell vergeht. In wenigen Tagen ist „schon wieder“ Weihnachten und kurz darauf beginnt das neue Jahr 2023. In allen vom christlichen Glauben auch kulturell sehr stark geprägten Ländern stellt die Geburt Christi die Zäsur in der Zeitrechnung dar: vor Christi Geburt (ante Christum natum) und nach Christi Geburt (post Christum natum). Zwei Schülerinnen des evangelischen Gymnasium Andreanum, Pia und Sena, haben ihre Überlegungen zur christlichen Zeitrechnung in dieser Krippenszene kreativ umgesetzt und ein bleibendes Kunstwerk geschaffen, das auf den Schulhof aufgestellt wurde. Die drei von ihnen gewählten Begriffe sind ihre Zeitansage. Menschen brauchen Vertrauen, Glauben und Geborgenheit. Sie suchen es in der Familie und in Freundschaften, Kitas und Schulen, Betrieben und Universitäten, einfach überall.

Geborgenheit ist wie ein wärmendes Nest und wie eine Umarmung; sie gibt Halt und Sicherheit. Wer Schutz und Rettung gefunden hat, weiß um Angst und Schrecken. Diese Erfahrung haben auch in diesem Jahr bei weitem nicht alle Flüchtlinge weltweit machen dürfen, im Gegenteil. Viele verlieren auf der Flucht ihr Leben. „Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiß an jedem neuen Tag“, schrieb Dietrich Bonhoeffer 1944 als Weihnachtsgruß an seine Verlobte. Er saß dabei im Kellergefängnis des Reichssicherheitshauptamts in Berlin, Prinz-Albrecht-Straße 8 und musste nüchtern betrachtet mit seiner Hinrichtung rechnen. Mit diesem Gedicht wollte Bonhoeffer seine Familie mitten im Krieg trösten; bis heute tröstet dieses Gedicht viele Menschen. Menschen suchen Unterstützung, Nähe und Verständnis. Wo dies erfahrbar wird, entsteht Geborgenheit in einer Welt, die so viele Menschen heimatlos macht, auf der Suche nach einem guten Ort für ihr Leben.

In diesem Jahr ist mit dem russischen Angriff und dem immer noch fortgeführten Krieg Vertrauen massiv missbraucht und gebrochen worden. Alles Vertrauen, von dem die Friedens- und Sicherheitspolitik jahrzehntelang gelebt hat, ist zerstört. Aber es braucht dringend vertrauensbildende Maßnahmen, damit wieder Frieden herrscht in Europa und weltweit. Verhandlungen zwischen Konflikt-, gar Kriegsparteien erfordern ein Mindestmaß an Vertrauen, dass die getroffenen Vereinbarungen auch von der jeweils anderen Partei eingehalten werden. Es ist dringend an der Zeit, dass Wege zu Friedensverhandlungen konsequent ausgelotet werden.

„Glauben“ ist eine Übertragung des biblischen Wortes für „vertrauen“. Gestern, heute und morgen daran glauben, dass Vertrauen möglich ist und Leben gelingen lässt. Die Zeitansage von Pia und Sena heißt auch: Glauben, dass Vertrauen und Geborgenheit Menschen für Veränderung stark machen. Es ist an der Zeit, dass wir vieles verändern angesichts von Krieg und Gewalt, Klimakrise und Artensterben, Hunger und Rechtlosigkeit. Daran glauben, dass Veränderung möglich ist, dafür steht die Krippe mit dem Kind in einem Stall bei Bethlehem. Vielleicht wird sie in diesem Jahr zur Zäsur im persönlichen und gesellschaftlichen Denken und Handeln. 

„Er wird sich einfach
an deine Seite setzen
mitten in die Scherben
und ganz sanft dein Gesicht
in die Richtung drehen
aus der das
Licht kommen wird,
sich versammelnd
über dir,
wenn die Welt
wieder neu beginnt.“[1]

Wir wünschen Ihnen ein frohes und friedvolles Weihnachtsfest, an dem für Sie etwas Neues beginnt.

Ihre

Dr. Kerstin Gäfgen-Track und Andrea Radtke
Die Bevollmächtigten


[1] Jan Richardson zitiert aus dem Kalender „Der Andere Advent“ 2022/23.