„Selig sind, die Frieden stiften“

Nachricht 24. Februar 2023

Die Bevollmächtigten OLKR Kerstin Gäfgen-Track und OLKR Andrea Radtke schreiben im Editorial des Februar-Newsletters:

Sehr geehrte Damen und Herren,

schon ein ganzes Jahr herrscht Krieg in der Ukraine, gibt es furchtbare Gewalt und Zerstörung, unermessliches Leid und Tod. Rund eine Million Menschen sind seit Kriegsbeginn aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet[1], von ihnen wurden bis Mitte Februar rund 109.400 in Niedersachsen registriert.[2] Laut Schätzungen aus EU und UN ist mit 4 bis 7 Millionen Geflüchteten insgesamt zu rechnen.[3] Nicht nur deshalb beschäftigt dieser Krieg die Menschen in unserem Land sehr. Auch war die große Angst vor einem Winter, in dem die Energie weder für die Wärme in den Privathaushalten noch für die Produktion in Industrie und Handwerk reichen würde, eine unmittelbare Auswirkung dieses Krieges. Viele sind dankbar, dass die Befürchtungen im Hinblick auf die Energieversorgung in diesem Winter nicht eingetroffen sind und staatliche Maßnahmen und Hilfsleistungen gegriffen haben. 

Heute scheint der Frieden in noch weiterer Ferne zu liegen als vor einem Jahr kurz nach dem Überfall durch die russischen Truppen und beherrscht die Frage, wie viele und vor allem wer der Ukraine welche Waffen zur Verteidigung bereitstellen soll, die politische Debatte und das Handeln der Verantwortlichen. In der letzten Woche hat der Philosoph Jürgen Habermas in einem Essay (SZ vom 15. Februar 2023) eindringlich vor den Risiken gewarnt, wenn weiterhin allein in der militärischen Unterstützung der Ukraine einschließlich der Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland die politische Handlungsoption gesehen wird und alle Aktivitäten darauf fokussiert werden. Habermas plädiert dafür, intensiver als bisher nach Lösungen zu suchen, Optionen für Friedensverhandlungen wenigstens politisch vorzubereiten und dann auch zu gestalten. Wie anderen auch, die Friedensverhandlungen fordern, ist Habermas vorgeworfen worden, die Realitäten zu verkennen: die russische Seite sei zu keinerlei Friedensverhandlungen bereit und der Preis dafür für die Ukraine unannehmbar.

Auch wenn im Moment alles militärisch und politisch dagegen zu sprechen scheint, ist es aus unserer christlichen Sicht doch notwendig, zusätzlich zur militärischen Unterstützung der Ukraine alles politisch diplomatisch dafür zu tun, Friedensverhandlungen zumindest anzubahnen. Um der Menschen und ihrer Zukunft nicht nur in der Ukraine willen ist es dringend geboten, für die Wiederherstellung von Frieden auch alles für das Zustandekommen und das Gelingen von Verhandlungen zu unternehmen, was möglich ist und auch dann, wenn es einen langen Atem dafür braucht. Wenn Friedensverhandlungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht erreicht werden können, dann ist alles dafür zu tun, dass sie überhaupt vorstellbar werden. Viele Reaktionen nicht nur auf die Überlegungen von Jürgen Habermas in den Medien machen deutlich, dass schon der Dialog über eine Option für Friedensverhandlungen schwierig wird. Schon jetzt prognostizieren die Friedens- und Konfliktforscher allerdings für die Ukraine die Situation eines „frozen conflict“, in dem sich nur sehr wenig bewegt, so dass es militärisch auf längere Zeit zu keiner Entscheidung, aber hohen Verlusten kommen wird. Deshalb gilt es, die Überlegungen parallel zur militärischen Auseinandersetzung darauf zu richten, wie über Verhandlungen dem Frieden näherzukommen ist.

Christinnen und Christen beten in der weltweiten Ökumene tagtäglich um den Frieden nicht nur in der Ukraine und machen dadurch die Sehnsucht nach Frieden stark.  Es braucht Mut und geistige Kraft, über Optionen für Frieden nachzudenken und daran zu arbeiten, sie konkret zu entwickeln. Es muss das Vertrauen wieder wachsen, dass Frieden möglich ist. Gottvertrauen lässt uns darauf hoffen: „Selig sind, die Frieden stiften.“ (Matthäus 5,9)

Ihre
Kerstin Gäfgen-Track und Andrea Radtke


[2] Das Niedersächsische Innenministerium gibt zu bedenken, von einem hohen Dunkelfeld der Zahl von Geflüchteten sei auszugehen, da aus der Ukraine Geflüchtete sich drei Monate visafrei im Land aufhalten dürften. Vgl. die Meldung von Antenne Niedersachsen: https://www.antenne.com/niedersachsen/regionalnachrichten/news_niedersachsen/Ein-Jahr-Angriffskrieg-Zahlen-zu-Ukrainern-in-Niedersachsen-id840512.html