"Kinder brauchen Rechte und Haltung!"
Zur besten Sendezeit am Sonntagabend lief vor wenigen Wochen zunächst nicht der Tatort, sondern eine Viertelstunde haben Kinder das Programm gestaltet. Sie haben klug und konsequent auf Missstände hingewiesen und Kinderrechte gefordert. Themen waren: die fehlenden Erzieher*innen, Lehrer*innen, der Sanierungsstau in Schulen (wenn unsere Autobahnen so sanierungsbedürftig wie manche Schulen wären, wäre quer durch die Gesellschaft der politische Druck hoch, sie zu sanieren), fehlende Spiel- und Sportplätze und zu wenige, oft schlecht gepflegte Schwimmbäder. Mobbing nicht nur im Internet ist ein großes Problem an Schulen. Die Forderungen der Kinder waren sichere Schulwege, Teilhabe für alle Kinder, Chancengleichheit, vor allem aber das Erwachsene sich kümmern und ihre Sorgen und Nöte ernstnehmen.
Es gibt aber immer mehr Hotels „for adults only“ und auf Einladungen steht im Kleingedruckten, dass bitte nur Erwachsene zur Feier kommen. Beim Italiener unterhält sich ein Paar intensiv, vor ihrem Kind ist ein Smartphone gegen die Weinflasche gelehnt und ein Zeichentrickfilm läuft. Die Eltern schenken dem Kind keine Beachtung und nicht mit ihm. Sich um Kinder zu kümmern, ist nicht mehr selbstverständlich. Zudem wird die Erziehung von Kindern vermehrt an KiTa und Schule „outgesourcst“.
Es zeigt sich an verschiedenen Stellen eine gesellschaftliche, bis in die Familien hineinwirkende Haltung, die sich von Kindern abgrenzt und sie auf vielfache Weise ausgrenzt. Wir brauchen eine genau gegenteilige Haltung vor allem der Gesellschaft den Kindern und Jugendlichen. Kinder und Jugendliche sind unverzichtbarer Teil einer lebendigen und zukunftsorientierten Gesellschaft. Kinder und Jugendliche sind kostbare Wesen, die ihre unverlierbare Menschenwürde haben. Um diese zu schützen und zu fördern, brauchen Kinder Rechte.
Deutschland ist 1992 der UN-Kinderrechtskonvention beigetreten, hat aber bis heute keine Kinderrechte im Grundgesetz verankert: Recht auf Bildung, auf Freizeit (Kinderarbeit), Schutz vor jeglicher Form von Gewalt, keine Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Nationalität, Behinderung oder gesellschaftliche Teilhabe. Das Recht ist immer nur so gut, wie es die Gesellschaft umsetzt und lebt. Milliarden zur Rettung von Arbeitsplätzen oder für die Rüstung, aber Milliarden für Kinder und Jugendliche? Berechnungen haben ergeben, dass es mindestens 4,3 Milliarden € Kosten wird, die niedersächsischen Universitäten und Hochschulen zu sanieren, in denen der Putz von der Decke fällt, die Kabel unverputzt laufen oder ganze Gebäudeteile nicht mehr zu betreten sind. Viele der über 5500 KiTas und der rund 3000 Schulen in Niedersachsen haben ebenfalls einen hohen Sanierungsbedarf, der noch nicht quantifiziert ist. Es braucht eine gesellschaftliche Haltung, die noch mehr in den Blick nimmt als den Sanierungsbedarf von Gebäuden – die aber eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiches Lernen sind. Es geht um die Verantwortlichkeit der Gesellschaft dafür, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu fördern, ihnen geschützte Räume zu geben und ihnen vielfache Teilhabemöglichkeiten zu eröffnen, auch wenn es viel kostet, manchmal auch Nerven, Kraft und Schlaf. Es braucht eine Haltung der Begeisterung für die Begegnung mit Kindern und Jugendlichen, mit ihnen gemeinsam die Welt zu entdecken und zu gestaltet, damit alle eine lebenswerte Zukunft haben.
Ihre
Dr. Kerstin Gäfgen-Track