Hannover. Die Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, Landesbischof Ralf Meister und weitere Vertreterinnen und Vertreter der evangelischen Kirche in Niedersachsen sowie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) haben sich am 28.05.2024 intensiv über das Thema Kirchenasyl ausgetauscht. Hintergrund der Gespräche war die zuletzt bundesweit, aber auch in Niedersachsen, stark gestiegene Zahl der Fälle von Kirchenasyl und die Überstellung einer russischen Familie aus einer Kirchengemeinde in Bienenbüttel nach Spanien. In der Regel handelt es sich bei den Kirchenasylfällen um Dublin-Fälle, d.h. die betroffenen Personen sind über einen anderen EU-Mitgliedstaat, in dem sie bereits einen Asylantrag gestellt haben, nach Deutschland eingereist und haben hier erneut einen Asylantrag gestellt. Das BAMF als zuständige Behörde entscheidet in diesen Fällen nur über die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens, nicht über den eigentlichen Asylantrag, der in dem Land geprüft wird, in dem das Asyl zuerst beantragt wurde.
Das Land und die kirchlichen Vertreterinnen und Vertreter waren sich einig, dass Kirchengemeinden auch in Zukunft nach sorgfältiger Prüfung und als Gewissensentscheidung Kirchenasyl gewähren können. Dies kann der Fall sein, wenn für die schutzsuchenden Menschen nachgewiesene Härten für die Gesundheit oder das Leben einzelner Geflüchteter bestehen.
In diesen Fällen greift ein zwischen den Kirchen und dem BAMF bereits im Jahr 2015 festgelegtes Verfahren: Die Kirchen reichen ein sogenanntes Dossier beim BAMF ein, das die Gründe für das Kirchenasyl darstellt, daraufhin folgt eine erneute Prüfung des jeweiligen Falles.
Die evangelische Kirche und das BAMF haben heute auf Vermittlung der Niedersächsischen Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, zugestimmt, zeitnah weitere Gespräche zum Kirchenasyl zu führen. Dabei soll insbesondere das Verständnis von Härtefällen, für die die Anwendung des Kirchenasyls in Frage kommt, neu austariert werden. Die Vertreterinnen und Vertreter der evangelischen Kirche sicherten zu, die Kirchengemeinden entsprechend zu beraten. Das Land Niedersachsen wird seinerseits keine weiteren Abschiebungen oder Überstellungen in andere EU-Staaten aus dem Kirchenasyl vornehmen.
Innenministerin Behrens erklärt: „In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Fälle von Kirchenasyl in Deutschland und in Niedersachsen stark gestiegen. Gleichzeitig erkennt das BAMF nur in den wenigsten Fällen an, dass es sich bei den Verfahren um Härtefälle handelt. Das bringt uns als Land in eine Situation, in der wir Überstellungen, wie die der Familie aus Bienenbüttel nach Spanien, in Vollzugshilfe für das BAMF trotz menschlicher Härten durchführen müssen. Das ist insbesondere für die Betroffenen hoch belastend, aber auch für die Gemeinden und alle an diesen Verfahren Beteiligten keine angenehme Lage. Mir ist deshalb sehr daran gelegen, dass die Kirchen und das BAMF wieder ein gemeinsames Verständnis davon entwickeln, wann ein Härtefall vorliegt. Beide Parteien haben heute weitere Gespräche zu diesem Thema vereinbart. Die Landesregierung respektiert das Kirchenasyl und wird vor diesem Hintergrund keine weiteren Überstellungen oder Abschiebungen aus dem Kirchenasyl vornehmen.“
Landesbischof Ralf Meister erklärt: „Die Innenministerin hat heute sehr deutlich gemacht, dass es die Auflösung eines Kirchenasyls - wie in Bienenbüttel - künftig nicht mehr geben soll. Das begrüßen wir ausdrücklich. Ein Vorgehen wie in Bienenbüttel ohne vorherige Absprachen mit uns als Kirchen bedeutet für die geflüchteten Menschen eine große Härte und ist auch für die betreuenden Personen in der Kirchengemeinde erschütternd. Es ist sinnvoll, wenn wir die heute begonnenen Gespräche fortsetzen. Kirchengemeinden werden auch in Zukunft nach sorgfältiger Prüfung und als Gewissensentscheidung Kirchenasyl gewähren. Aus christlicher Sicht ist das dann der Fall, wenn für die schutzsuchenden Menschen Härten für die Gesundheit, das Leben oder die Psyche bestehen. Hierüber miteinander zu sprechen, um zu einem gemeinsamen Verständnis zu kommen, ist ein guter und notwendiger Weg im Sinne der Menschen, die bei uns Schutz suchen. Sakral oder sakral genutzte Räume genießen in unserem Land einen besonderen Schutz, der nicht angetastet werden sollte.“